Unbekanntes Frankenland

„Kommste mit, in den Keller?“ Diese Frage erstaunte mich doch sehr, als ich Freunde in Franken, genauer in Nürnberg, besuchte. Ich wollte mir eigentlich Nürnberg zeigen lassen, den wunderschönen Altstadtkern und die Kaiserburg anschauen, wollte mal die echten, kleinen Nürnberger Bratwürstel probieren, dazu ein trübes Hefe-Weizenbier und das schöne Umland und die Natur dort genießen – was sollte es im Keller Interessantes und Schönes geben? „

„Das Wetter ist so herrlich, lassen wir heute mal den Keller bei Euch ausfallen und lasst uns statt dessen doch in die Stadt gehen!“ war meine spontane Antwort!

Wir besichtigten die alte Kaiserburg innerhalb der Stadtmauer, das Eisenbahnmuseum mit Lokomotiven von der ersten Adler-Dampflok zum modernen ICE und das Spielzeug-Museum.

Dann kam wieder die Frage meiner Freunde: „Wollen wir nicht doch in den Keller gehen, es ist inzwischen so warm geworden und dort ist es doch schön kühl?“

Ok – ich war überstimmt und es ging ein paar Kilometer mit dem Auto Richtung Norden und Richtung Erlangen. Wie ich erfuhr fuhren wir nicht auf irgendeiner Landstraße, sondern auf der „ostfränkische Bierstraße“, die sich über die Landkreise Bayreuth, Kulmbach, Kronach, Coburg, Lichtenfels, Bamberg und Forchheim schlängelt und in fast jedem Dorf auf dieser Strecke sind mindestens 2 Bier-Brauereien mit mindestens 3 verschiedenen Biersorten zu finden.

Kurz vor Forchheim, ca. 37km von Nürnberg entfernt, bogen wir ab von der Landstraße in einen freundlich hellen Misch-Wald am Berghang. „Jetzt geht es endlich in den Keller“ jubelten die Freunde und erst jetzt fiel mir auf, dass sie alle mit je eine Rucksack aus dem Auto ausstiegen.

Nach ein paar hundert Meter zu Fuß in den Wald kamen wir zu einem typisch bayrischen Biergarten und suchten uns dort Platz auf den auf den grobschlächtigen Holzmöbeln. Es war schon richtig voller Leute! Junge, Alte Einheimische und Touristen ein riesiges Freiluft-Lokal im Forchheimer Wald und wie ich erfuhr, war das der bekannte „Glocken-Keller“!

Im Gegensatz zu den norddeutschen Gartenlokalen, darf man hier seine „eigene Brotzeit“ mitbringen und verzehren. Das Bier oder andere Getränke holt man sich (gegen Bezahlung natürlich) bei einem kleinen Ausschank bei einer einfachen Holzbude.

Die Freunde packten alle ihre Rücksäcke aus und daraus gab es: Brötchen, Leberkäse, Weißwürste, süßen Senf, geräucheten Speck, für jeden auch eine bayrische große Salzbrezel und Gurken und Tomaten.

Brettchen und Bestecke gab es sogar kostenlos vom Wirt im Holzhäuschen!

Zusammen mit je einem kühlen Weizenbier im stattlichen Steingut-Seidel vom Wirt direkt, war das ein gelungenes Mahl.

Nun war das der externe Biergarten einer kleinen Brauerei aus Forchheim und da war auch der Keller, genauer „deren Kellergewölbe“ in den Berg eingegraben und in diesem Berggewölbe hatte der Brauer sein Bier eingelagert. Natürlich in Holzfässern, wie sich das gehörte und dort konnte das Bier in Ruhe reifen, weil sich die Temperaturen lange auf einem gleichmäßigen Niveau hielten.

Das Gartenlokal im hellen Laubwald, direkt den Keller, sprich das Berggewölbe davor, war nur im Sommer und bei schönem Wetter geöffnet und war für die betreibende Brauerei als steuer-befreit vom bayrischen Staat deklariert und daher auch so beliebt bei den Brauern und natürlich auch bei den Franken und den Touristen!

Nun nennt sich die ganze Geschichte in Franken eben nicht „Gartenlokal“, sondern man geht zu dem oder in den Keller, wobei man in Wirklichkeit im schattigen aber hellen Wald unter Bäumen sitzt. Wer keine eigene Brotzeit mitgebracht hat, kann dort natürlich auch ein kleines Repertoire an bayrischen Leckereien bekommen, sprich zu kaufen.

Was aber jeder mit hatte, war ein runder und verzierter Holzdeckel, den man sich „auf die Maß“, also auf den Steingut-Bierseidel legt, als Schutz von herunterfallenden Eicheln, Blättern und Tannenzapfen und trinkwütigen Insekten, denn das Weizenbier musste nach jedem Schluck per Deckel verschlossen werden.

Klar war das „ne Maß“, echt bayrisch mit 1 Liter Volumen und für nen Hanseaten eine echte Herausforderung!

Für mich hatten die Freunde als Gastgeschenk einen runden Holzdeckel mit einer kleinen Krankenschwester-Maus aus Porzellan mitgebracht und drumherum steht: „Bier ist die reinste Medizin!“!

Klar hatte ich nach dieser Geschichte meinen eigenen Biermaß-Deckel immer mit dabei und wenn die Maß im „Keller“ oder in der Dorfschänke keinen eigenen und integrierten Deckel hat, bin ich somit immer auf der sicheren Seite!

Auf der Rückfahrt sind wir dann noch in 2 Dorfbrauereien eingekehrt, weil ich ein spezielles obergäriges Bier und ein „Rauchbier“ probieren sollte und das war wirklich Lecker.

Fazit: In Franken geht man nämlich „auf den Keller“. Diese Redewendung stammt aus alten Tagen. Als es noch keine technischen Kühlanlagen gab, verfügten die meisten Brauereien in der Fränkischen Schweiz über große Bierkeller.

Ach mal so nebenbei: die Nürnberger Freunde sind wahre Meister mit „Steamern“ (Saisonstart für sie ist immer schon der 2. Januar des jeweiligen Jahres) und sie brauen inzwischen auch Ihr eigenes Bier für den „Hausgebrauch“!